von Karl Pfeifer
1949 zog Memmi die tunesische Unabhängigkeitsbewegung zurück in sein
Heimatland, vom Universalisten wurde er graduell zum tunesischen
Nationalisten und zum Mitbegründer des Magazins Jeune Afrique,
dessen Kulturrubrik er mehrere Jahre redigierte. Doch seine Liebe für
sein Heimatland wurde nicht erwidert. Nach der Unabhängigkeit 1956 wurde
sehr bald der Islam offizielle Staatsreligion, das Erziehungssystem
arabisiert und man ließ die Juden wissen, dass sie nicht erwünscht
waren. Obwohl »wir da waren vor dem Christentum, und lange vor dem
Islam« protestierte Memmi, wurden sie nicht als echte Tunesier
betrachtet. Im neuen Staat machte eine Serie von antijüdischen
Verordnungen den armen Juden die Existenz fast unmöglich. Memmis
Hoffnungen auf eine laizistische, multikulturelle Republik gleicher
Bürger wurden zerstört. Das hat ihn tief verwundet: »Der Grund, dachten
wir, ist fest, doch er wurde uns unter den Füßen weggezogen.« Er brachte
es so auf den Punkt: »[Tunesiens Präsident] Burgiba war vielleicht
niemals judenfeindlich, aber seine Polizei kam immer zu spät, wenn die
Geschäfte der Juden geplündert wurden.« Memmi und andere jüdische
Intellektuelle mussten erkennen, dass sie sich geirrt hatten und die
einfachen, zumeist religiösen Juden, die wenig Vertrauen in ihre
muslimischen Nachbarn aufbrachten, Recht behalten sollten. Der Fehler
der Intellektuellen, argumentierte er, war ihr Beharren darauf, dass sie
nur Tunesier seien und ihr Vertrauen, dass ihre muslimischen Mitbürger
sie als solche anerkennen werden. https://www.facebook.com/600245226683763/posts/aus-dem-aktuellen-heftkarl-pfeifer-erinnerungen-an-albert-memmi-192020201949-zog/5080814241960150/
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